Schattenspiel, A.O.C und Mont Ventoux |
Der April startet mit zwei Wochen Schulferien.
Als Sekundarlehrer komme ich also nicht um den Osterrummel herum weshalb ich
wie viele andere in den Süden reise. Zusammen mit Steffu. Wir entscheiden uns
für St. Léger. Einmal mehr spricht vieles für die liebliche Schlucht im Norden
des Mont Ventoux.
Die Wochen davor genoss Steffu gute
Bedingungen beim Tourenskifahren und ich trainierte meine Fusstechnik und
Fingerkraft im plattigen St. Loup. Wegen der fehlenden spezifischen
Vorbereitung wird der Ausflug zusätzlich zum Trainingscamp.
Im Camping treffen wir auf Marianne und Jasmin
welche die ersten Tage unser Lager ergänzen. Die Nomadin Jasmin scheint frei
von Pflichten und schliesst sich nochmals für eine Woche an. Nichtahnend dass
unter Coach Andy die Klettertage sehr anstrengend sind.
Morgenfooting à la Jugend & Sport |
Die ersten Nächte sind kühl. Deshalb freuen
wir uns am Abend auf die Einladung zum warmen Kaffee bei Tinu’s.
Guete Morge Marianne! |
Keine Zeit für morgenmuffeln - immerlachender Steffu! |
Bei starkem Wind klettern wir zu Beginn an der
Face Sud, ein Sektor den wir noch kaum kennen. Wir geniessen schöne Routen zum
Einwärmen im Sektor „les coffres en bambou“. Dann suchen wir eine längere
Beschäftigung in der eindrücklichen Hauptwand der Face Sud. Der Weinkenner
schaut auf kontrollierte Herkunft der Produkte und der betreffenden
Bezeichnung. Auch ich kenne den Genuss und entscheide mich für „A.O.C la
baleine“. Die Route soll mit der maximalkräftigen Belastung eine gute
Vorbereitung für mehr werden. Mit einem spektakulären Seitwärtssprung überwinde
ich die Schlüsselstelle und kann nun bald mit ersten Versuchen beginnen. Ein
wenig rechts davon versucht sich Steffu an der Route „quelques instants au bord
du monde“. Die guten Bedingungen an den ersten Tagen sind verlockend. Doch
rasch wird es wärmer, sonniger und der Wind lässt nach. Deshalb stehen wir früh
auf um am Morgen den Schatten welcher nur durch die Steilheit der Wand gegeben
ist zu nutzen. Steffu gelingt es die kräftige Einstiegspassage von „quelques
instants au bord du monde“ (8a) zu überwinden und holt sich den roten Punkt.
Bravo!
Daneben falle ich bereits knapp am entscheidenden Zug. Wegen der Hitze
sehe ich aber von weiteren Versuchen ab und hole mir eine rote Nase beim
Sonnenbaden. Vom letzten Jahr weiss ich dass der Schatten gegen Abend in der
Face Est angenehm sein kann. Also besuchen wir den eindrücklichen Pfeiler. Der
schönste Weg um den ganzen Pfeiler zu begehen ist klar und die Beschreibung im
Topo vielversprechend: „voie phare, grosse conti, sortie très engagée“. Das
sehr im Kommentar führt auch bei mir zu erhöhter Adrenalinausschüttung. Eine
geniale Linie weshalb ich gleich nochmals einsteige.
An diesem Tag treffen wir auf die
Saumaden-Polizei (siehe saumade.com). Damit auch jenseits des Juras alles seine
Ordnung hat. Sämi „déja a la forme“ und Domi the „geyikbayiri-man“.
Das Pockern an der Südwand geht weiter. Heisst
für zwei Versuche die noch einigermassen kühle Wand ausnutzen und dann erneut
in den Schatten flüchten. Beim Ausbouldern von „légitime démence“ erfreut sich
Steffu an den kräftigen Zügen. Am vierten Tag fühlen sich die Arme dann schon
ein wenig müde an weshalb wir im Face Est heute ausklettern. Dabei geniesse ich
die schöne „FFMeuh“ (7c+) a vue. „Ist geil, oder?“ , wie unser Nachbar auf dem
Camping dazu sagt.
Yasmin zieht durch "un monde a refaire" (7a+) - gecoacht von Andy |
Die Tage werden nun immer wärmer und der Wind
ist kaum noch spürbar. Trotz der vorhandenen Kraft rutsche ich von den glatten
Griffen. Die Hitze scheint die starken Mädels nicht zu stören. Schön, dass
einige Girls aus dem SwissClimbingTeam mal die frische Luft am Felsen
geniessen.
Bärner Meitschi mit Saft! Lynn in den kräftigen Zügen von "abrège nief"... |
An den Ruhetagen wandern Steffu und ich ein
wenig durch die Gegend um die neusten Sektoren ausfindig zu machen. Bald kennen
wir auch die „geheimsten“ Spots und erhalten Tipps von lokalen Kletterern.
Wegen den sommerlichen Bedingungen zieht es
uns für die restliche Zeit in die Grotte vom Sektor „la Baleine“. Immerhin
angenehm zum verweilen. Doch selbst hier liegt die Temperatur im Schatten bei
20 Grad. Unter der riesigen Kuppel steht die Luft. Willkommen im Thermalbad! Erinnerungen
werden wach. Vor ziemlich genau drei Jahren verlor ich den Kampf gegen das
Ungeheuer. Wegen Regen und Sturm rutschte ich damals immer wieder von den
feuchten Zangengriffen. Jetzt scheint das Vieh zu schlafen, gelähmt von der
drückenden Wärme. Soll ich es herausfordern? Erneut den Kampf wagen?
Bei einem ersten Versuch in „Léviathan, les
griffes de l’amer“ präge ich mir den ganzen Weg ein. An mehreren Stellen könnte
das Ungeheuer auftauchen.
Alle Abschnitte gelingen leicht. Drei Jahre
Training machen den Unterschied. Doch wie steht es um die Ausdauer? Erste
Durchstiegsversuche sind vielversprechend. Fast überwinde ich die Kuppel um zum
rettenden Rastplatz zu gelangen. Die einzelnen Stellen sind jedoch heikler als
erwartet weshalb ich mehrere Male falle. Direkt unter der Dachkante wird die
Luft düppig. Dadurch schwindet die Konzentration mit jedem Zug und die Spannung
verlässt mich. Das Ungeheuer schläft, aber lauert permanent mit drückender
Hitze.
Direkt daneben versucht sich Steffu an der
spektakulären Route „un monde sans gaucho est sans issue“ (8a). Nur zwei Tage
braucht er um erfolgreich den Umlenker zu klippen. Davor zog er bereits
souverän durch „j’ai toujours préféré les voisins aux voisines“ (7c+) und
beweisst somit dass seine Ausdauer vorhanden ist. Mehr Beschäftigung findet er
danach in der Route „l’aigrefin“ (8a). Zum Durchstieg reicht es nun leider
nicht mehr.
Steffu zieht "un monde sans…" (8a)... |
Andy kämpft gegen den Léviathan. Kniekontakt erlaubt! |
Für mich bleiben schliesslich nur wenige Tage
und drei Projekte mit höchst unterschiedlichen Anforderungen:
Ein maximalkräftiger Sprint am Limit mit einem
heiklen Seitwärtssprung.
Ein körperkräftiger 40m Marathon mit lauernden
Gefahren.
Ein Monument. 35m klassische Ausdauer mit
Charakter.
Dass ich alle Routen gleichzeitig versuche
erhöht die Schwierigkeit, hält aber die Spannung hoch. So reicht es dann nur
noch für ein bis zwei Versuche an der Face Sud. Danach sammelte ich mit
erfolglosen Versuchen in der Baleine ordentlich Klettermeter. Vorerst reicht es
nicht mehr für die Face Est.
Die Temperaturen steigen weiter an und feuchte
Luft zieht bald heran. Es kommt wie es kommen muss. Für die schwierigen
Bedingungen ist meine Aufgabe zu hoch und ich scheitere am umfangreichen
Programm. Der Einsatz waren drei Sektoren, einmal 8c, einmal 8b+/c, einmal 8b+.
Es folgte das Spiel mit dem Wetter und den Erwartungen. Schliesslich gab es
keine roten Punkte doch eine gute Trainingsbelastung. Und einige Gründe
zurückzukehren!
Yasmin nach dem Trainingscamp mit Coach Andy |
Zwei Wochen mit viel Sonnenschein, vielen
bekannten Gesichtern, gemütlicher Campingstimmung und gutem Trainingsumfang
sind definitiv ein gelungener Start in das Kletterjahr!
Gute Laune! |
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