Sonntag, 15. April 2012

Saint Léger du Ventoux



Es ist an der Zeit dem strukturierten Trainingsplanung einen ersten Auslandtrip beizufügen. Schon früh haben Tom und ich diesen geplant und uns für das Gebiet St. Léger entschieden. Den Berichten zufolge sollte dieses für die Jahreszeit ideal sein sowie eine Vielzahl an schweren Routen aufweisen. Die Hin-und Rückfahrt war jeweils an unseren Geburtstagen. Ob es Geschenke geben wird wussten wir damals noch nicht. Meine Planung zielte jedenfalls auf diese Reise ab weshalb ich entsprechend ambitioniert war. An dieser Stelle sei zudem ein Dank an die materielle Unterstützung gegeben. Die erste Ausrüstung von DMM und Beal ist hierbei zum Einsatz gekommen.

Pünktlich auf das erste Gewitter des Jahres sind wir auf dem Camping eingetroffen. Denn scheinbar habe es den ganzen Winter keinen Niederschlag gegeben. Es blieb in der Folge wechselhaft. Neben dem stürmischen Mistral schien mal die Sonne oder es gab kleine Schauer. Auch in Frankreich gibt es also das Aprilwetter.


Einige Eindrücke von den Klettertagen

Tag 1:
Am Samstag besuchten wir den neueren Sektor „la baleine". Als Bielersee-Grottengnom fühlte ich mich sofort heimisch und staunte über die riesige Wölbung. Auch Tom zeigte sich beeindruckt. Da er die stinkenden Grotten unserer Breitengrade bis anhin gemieden hatte, konnte er nun viele eigenartige Techniken kennen lernen. Manche Kletterer haben hier eigenartige Knieschoner angezogen und schienen sich dank diesen überall ausruhen zu können.


 
Tag 2:
Le menu du jour: Ein athletisches „entrée „bei dem der ganze Körper unter Spannung steht, gefolg vom „plat" bei dem Siesta angesagt ist und einem „desert" von zerfressenem Kalk bei dem sich aufsteigendes Laktat im Kopf bemerkbar macht. Insgesamt verdient diese Ansammlung an Leckereien sicher fünf Sterne und liegt so ziemlich in meinem Geschmack. Nach dem „mise en place" und ersten Versuchen am Vortag konnte ich „collection automne hiver" (8b/+) heute im ersten Versuch klettern. Bon appetit!


Am Ende dieses Tages besuchte ich noch ein Konzert der Urväter des Metals. Durch meine ehemalige Vorliebe für das Doppelpedal konnte ich auf ordentliche Knieklemmerkraft zurückgreifen und spielte die Rhythmen von „slayer" (7c+) onsight.

Tag 3:
Ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag in der Grotte. Ein erstes Technikbrevet in Sinterkletterei konnte heute Tom mit der Begehung von „slayer" (7c+) verbuchen. Im ersten Rotpunktversuch zog er durch den Klassiker dieses Sektors. Bravo!

Tag 4:
Die Dachkletterei der Grotte machte sich langsam in unseren Muskeln bemerkbar. Deshalb besuchten wir heute „la face sud" von St. Léger um einen Stilwechsel zu haben. Tom versuchte sich an „la farce tranquille" (8a). Die riesige Sinterfahne bereitete ihm jedoch einige Mühe weshalb er die schönen Linien im danebengelegenen Sektor spulte. Die leicht überhängende Wand bietet geniale Routen im Bereich 7a bis 7c. Unglaublich wie der Meterzähler von Tom vorwärts rückt. In aller Ironie versuchte ich natürlich das supersteile Dachproblem in der Route mit dem so wohlklingenden Namen „foetus __ __ ___" (8b/+). Also keine Abwechslung in der Belastung. Vielmehr sah ich die harte Boulderstelle als Vorbereitung auf mein Projekt in der Grotte.

Tag 5:
Die bitteren Zangen: "Sorgfältig setze ich die Ferse in die offene Schale um mit der rechten Hand kontrolliert die nasse Zange zu greifen. Nun folgt für die linke Hand eine ebenso feuchte offene Zange. In dieser Position setze ich zum Zug an. Mit dem Zielgriff auch Tuchfühlung verlieren plötzlich alle meine drei Punkte den Kontakt zur Wand. Bitter."

Leviathan. Ein Seeungeheuer welches mit Reisenden spielen soll. In der Mythologie finden sich folgende Worte:

Wenn du deine Hand an ihn legst, so gedenke, dass es ein Streit ist, den du nicht ausführen wirst… Niemand ist so kühn, dass er ihn reizen darf… Wenn er sich erhebt, so entsetzen sich die Starken…







Inspiriert von der 40 Meter langen Reise durch die Grotte, versuchte ich mich an dieser Route. Entgegen meiner Pläne setze ich alle meine Karten in ein einziges Spiel. Bereit unterzugehen oder am Hafen anzukommen. Trotz einigen feuchten Griffen werden die Versuche immer besser. Der Kurs stimmte. Meine Zeit war begrenzt und somit hatte ich nach einigen Arbeitsdurchgängen in der Route am dritten Tag noch genau einen Tag zum Angriff zur Verfügung. Die Planung war perfekt und der Ruhetag richtig gesetzt. Am Freitag den 13. stand ich erneut in der Grotte. Doch ich hatte nicht mit dem Seeungeheuer gerechnet. Mit feuchten Zangen und tropfendem Schlund erwartete es mich beinahe lachend. Der Mensch neigt zur Sturheit. Deshalb trat ich kühn in die See. Bei einer ersten Rastposition wurden meine Knie nass und es tropfte mir ins Gesicht. Die Magnesiumkörner wurden zu Schlamm. Erhebt hat sich der Leviathan. Einige Bewegungen später brachte er mich vom Kurs ab.

Was mir bleibt ist das Bewusstsein fähig für diese Reise zu sein. Nun gibt es aber noch weitere Faktoren als starke Arme. Irgendwann wird sich der Zorn der Wesen wieder beruhigen und ich kann erneut zu einem Versuch antreten. Werde ich „léviathan, les griffes de l’amer" (8b+/c) in diesem Jahr noch versuchen können?

Der Tag war aber noch nicht zu Ende und ich flüchtete in seichtere Gewässer. Durch den eindrücklichen Kampf von Tom in „le chant des baleines" (8a) welcher leider mit einem Sturz in der zweiten Länge endete, war ich motiviert für einen Versuch. Dabei stellte sich Tom als perfekter Navigator heraus und ich konnte im Flash den Umlenker auf 40 Metern klippen. Wer unser Volumen kennt, weiss dass nun die Auskletterprojekte anstehen. In souveräner Weise zog Tom die „vincent % quotas locaux" (7b). Der Name spielt wohl auf den fiesen und unübersichtlichen Abschlusszug an. Mein Projekt hiess „slayer speed" (8a+) und endete erst am zweitletzten Zug. Für die 200bpm fehlte dann doch ein wenig Kraft.

Tag 6:
Heute war schon der letzte Tag dieses genialen Trips gekommen. Für diesen besuchten wir nochmals die beliebte Südseite von St. Léger. Zum Aufwärmen lotste mich Tom im Flash durch die Route „la farce tranquille" (8a). Dafür gab es von einem Zuschauer ein „god job!" Auf diesen Kaltstart brauchte ich erstmals eine ausgiebige Pause. Tom versuchte sich in der „tant que j’aurai une ombre" (7c+/8a). Die ausgiebige Bouldersession forderte ihren Tribut und deshalb verzichtete er auf weitere Versuche. Die Route „légitime démence" (8a+) wurde mir dann empfohlen. Scheinbar sollte es die schönste Länge des Sektors sein. Zu Beginn fühlte ich mich für die dynamischen Züge an den versinterten Griffen viel zu träge. Doch dann konnte ich die herrlichen Abfolgen im dritten Versuch zusammenhängen. Ein schöner Abschluss.

Fazit

Wir waren jeweils die ersten und letzten am Wandfuss, haben pro Kopf rund 1000 Klettermeter hinter uns gebracht, haben zwei Geburtstage gefeiert und fragen uns dennoch am letzten Tag wieso wir Müde sind. Fertig.














Samstag, 14. April 2012

Wann kommt der Film?

Alles braucht seine Zeit. Deshalb verzögert sich auch die Arbeit am geplanten Film. Da momentan herrliches Stubenhockerwetter herrscht, gibt es nun einen Ausschnitt von der Route "un chant pour phil". Schweissfinger trotzt Aprilkälte sind garantiert!

un automne à soyhières

Dienstag, 3. April 2012

Ravage – Verwüstung

Der April steht vor der Türe und möchte seinem Ruf gerecht werden. Als dauerte das stabile Wetter bis anhin viel zu lange, wechselte die Wetterlage heute von Stunde zu Stunde. Dieses Schausspiel wollte ich nicht verpassen, weshalb ich den freien Nachmittag im Jura verbrachte. Zum ersten Mal in diesem Jahr besuchte ich das Chuenisbärgli... mit jedem Schritt steigen Erinnerungen auf... es ist an der Zeit abzurechnen.
Der treue Weggefährte für diesen Kalkriegel war Tom. Fast fünf Monate zuvor verliessen wir diesen Wald mit geschundenen Fingern und unvollendeten Taten. Damals scheiterte ich an meinen Gedanken...
Doch eisernes Training und die nahende Peak-Phase standen heute über jeglicher mentaler Hürde und Bewegungsökonomie. Die Begehung glich dann eher eine Kraftdemonstration.

Mit "ravage" habe ich ein Etappenziel dieses Jahres erreicht und mir ein vorgezogenes Geburigschänkli gemacht.

Doch eigentlich beginnt die Geschichte viel früher. Dazu ein Auszug aus dem
Tagebuch des letzten Jahres...

Eigentlich ist der Ausgang dieser Geschichte absehbar. So schlecht die Voraussetzungen sind, so hoch ist der Reiz es doch zu probieren. Doch beginnen wir ganz am Anfang.

Im Jahre 1986 erstbegangen durch den Franzosen Antoine le Menestrel, gilt die Route „ravage“ als Megaklassiker. Letztes Jahr versuchte ich mich an dieser mythischen Route. Weil die Saison aber praktisch vorbei war, blieb es bei diesem kurzen reinschauen. Zu gerne würde ich sie ernsthaft probieren. Doch es gibt etliche Hürden. Erstens gestaltet es sich sehr schwierig motivierte Kletterpartner für dieses Gebiet zu finden. Zweitens ist dieser Felsen sehr bedingungsabhängig und drittens ist der Zugang mit öffentlichen Verkehrsmitteln praktisch unmöglich. Zufällig besuchte ich im September den Chuenisberg. Hatte ich dieses Ziel schon fast vergessen.

Es packte mich sofort wieder…

Doch weiss ich nicht zu gut wie es enden wird? Aus dieser Zwickmühle kann ich mich nur mit dem Durchstieg befreien.

Versuchung…
Kompromisslos…
Wann komme ich nur zur Ruhe?


Chuenisberg bei frostigen 10 Grad. Der perfekte Grip erfordert den Einsatz kalter Finger.Ohne jegliches Gefühl falle ich am letzten Zug. Am gleichen Abend schaute ich mir den Wetterbericht an. Vor der drohenden Kaltfront soll es nochmals warm werden.

Eine letzte Möglichkeit? Zu nahe bin ich am Durchstieg. Die Uni schwänzen?
Oder doch nicht?

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. Deshalb stand ich nun drei Tage später wieder an diesem Ort. Der Druck war zu hoch. Mein Erregungszustand viel zu hoch. Erst mit steigender Anzahl an Versuchen senkte sich dieser langsam. Die Gleichgültigkeit zeigte sich. Der Puls senkte sich. Im sechsten Versuch erreichte ich dann endlich den guten Griff in der Mitte der Route. Total ermüdet. Ohne zögern ging es weiter. Die Strapazen der vorherigen Versuche zeigten sich am letzten Zug. Dort endete der Kampf. Gescheitert. Mit jeder Minute begreife ich, dass dies der letzte Versuch gewesen war.

Lohnt es sich noch weiterzukämpfen?
Aufgegeben habe ich noch nie. Das weiss ich. Wenn dir die Zeit davon läuft, musst du
springen!

Nun wurde mir die erste Hürde zum Verhängnis und ich konnte nicht mehr zurückkehren.


„Lichtspiele“, ein mystischer Augenblick. Der Wald um den Chuenisberg bei Nebel.