Mittwoch, 27. Juni 2012

Un trip dans les pays des écrins


Die letzten Wochen waren geprägt von den Prüfungsvorbereitungen meines Studiums. Neben einzelnen Tagen am Fels in nahen Gebieten sowie Trainingseinheiten am Griffbrett verbrachte ich somit vorwiegend viele Stunden am Schreibtisch. Dabei sorgte das regnerische Wetter dafür, dass sich diese Situation bestens ertrug. Für die Zeit nach den Prüfungen habe ich bereits einen Kurztrip geplant. Der treue Partner für solche Aktionen war einmal mehr Sämi. Stets motiviert für einen Ausflug ins pays vom savoir vivre, kann sich der Baselbieter zudem seit neuestem belle vie Bezwinger nennen. Der Mann weiss wie man schöner lebt. Weil sich die Schlechtwetterperiode bis in den Süden zog, verbrachte ich jede Lernpause damit einen geeigneten Zielort zu finden.

Der Zufall wollte es dann, dass ich den Weltenbummler und chommeur par excellence im Oberland getroffen habe. Der Franzose Séb H. scheint die aktuellen Conditions der Felsen in ganz Europa zu kennen. Dass er sich momentan in der Schweiz aufhielt, verhiess nun erstmals nicht viel Gutes. Ein möglicher Tipp lautete dann die Gegend um Briancon. Wie sich später herausstellte, lag er dabei goldrichtig. Als Gegenleistung teilte ich ihm einige Informationen mit zum Kalymnos des Bielersees. Einzelne spärliche Erinnerungen blieben mir noch von meiner Teilnahme am Tout à Bloc in L’Argentière-la-Bessée. Zudem müssen ja die starken Mädels und Jungs dieser Region ihre Kraft irgendwo herhaben. Auch Sämi konnte ich von diesem Vorschlag überzeugen, weshalb wir am 16. Juni diese Reise starteten.

Entraygues


Beim Parkplatz in Entre-les-Aigues endet die kurvige Strasse. Auf 1610 Metern gelegen und ohne Natelverbindung scheint die Zivilisation hier oben weit entfernt.
Monoton rauschend fliesst die Onde durch das breite Bachbett und begleitet die Geräuschekulisse den ganzen Tag hindurch. Fliessend ist auch das Leben an diesem Ort. Geprägt von Selbstvergessenheit und Ruhe.
Auf dem verlassenen Parkplatz begann der erste Tag mit Yoga zu den ersten Sonnenstrahlen. Bald tauchen die Besucher auf, welche hier zu den Wanderungen starten. Den riesigen Gneissblock auf der Nordseite des Flusses wollten wir heute besuchen. Im Wald gelegen bietet dieser Sektor also gute Bedingungen um vor der brennenden Sonne zu flüchten. Die Route „san ku kai" verhalf diesem Gebiet zu einer hohen Medienpräsenz. Diese geniale Linie setzt jedoch mit dem geforderten Grad schon ein wenig mehr Vorbereitung voraus. Da die Kraft bekanntlich immer fehlt, versuchten wir uns an den schwächsten Stellen des zentralen Überhangs. Sämi zog somit durch die Route „la cour des grands" (7c). Quasi das Einstiegsbrevet des Felsens. In der Route „le brûlot" (8b) konnte ich dann meine Schultern aufwärmen. Leider hookte ich im ersten Versuch direkt auf meinen Ringfinger. Resultat war neben dem Sturz ein riesiger Bluterguss. Mit Tape und einem ordentlich tauben Finger konnte ich dann trotzdem im zweiten Versuch diese geniale Route durchsteigen. Für die Einstiegsvariante „les pitchounes" (8a) musste sich Sämi schon mehr anstrengen. Dank einigen Coaching-Tipps meinerseits und einem spektakulären Effort zog er brüllend durch den Leistenboulder. Es schien als wurde er bei seinem Besuch in Ceuse von den Versuchen des tschechischen Mutanten inspiriert. Allez!


san ku kai
Am zweiten Tag versuchte ich mich an der Kombination „blonde de choc". Ein Auslassen von zwei Expressen war jedoch ein zu hohes Risiko, weshalb ich die Aktion abgebrochen habe. Derweilen vergnügte sich Sämi an „le brûlot". Sein Fazit lautete ganz einfach: „Der Brüller!". Eine weitere lohnende Route ist „le sika karaï de rika zaraï" (8a). Im zweiten Versuch konnte
ich die 14 explosiven Züge aneinanderreihen. Die abwechslungsreichen Bewegungen lassen über das erste Wort im Namen wegschauen.




Ein erster Ruhetag war nun zwingend nötig. Das beliebte Wanderziel zum refuge les bans sollte ideal für die aktive Erholung sein. Dieses liegt etwa 1.5 Stunden entfernt und befindet sich auf 2083 Metern. Im refuge angekommen wurden wir von einem freundlichen Franzosen empfangen. In aller Ruhe und Sorgfalt bereitet er einfache Kost für die Gäste zu. Diese mediterrane Gastfreundschaft würde wohl so manchem Hüttenwart aus hiesigen Breitengraden gut tun. Wieder im Camp angekommen, musste Sämi seine Prüfungsvorbereitungen in Angriff nehmen. Da ich dieses Kapitel abgeschlossen habe, verbringe ich die Zeit mit dem Schreiben dieser Zeilen. Später begann es zu regnen. Unter der Plane suchten wir Schutz und mit einer spanischen Tortilla hatten wir doch ein wenig Sonne im Camp.

la vue du refuge des bans

Rocher des brumes



Im strömenden Regen packten wir unser Camp zusammen und verliessen das Tal. Da keine Wetterbesserung in Sicht war, machten wir in L’Argentière-la-Bessée eine Kaffeepause und versuchten den Wetterbericht in den Zeitungen zu entschlüsseln. Wie geplant fuhren wir dann in das Vallée du Fournel. Dieses ist etwas tiefer gelegen als der Parkplatz in Entre-les-Aigues. Dadurch ist die Vegetation üppiger, der Nebel klebte in den Bäumen und der Fluss ist oft so stark, dass Kanuten ihre Freude haben.
Am Nachmittag hörte der Regen allmählich auf weshalb wir den Felsen doch noch aufgesucht haben. Nach einem steilen Zustieg standen wir vor dem Überhang welcher in orangen Farben leuchtet und versinterte Strukturen aufweist. Wir haben das Gimmelwald von Frankreich gefunden. Wahnsinn! Plötzlich war der der verregnete Tag vergessen und Sämi stieg voller Elan in die Route „espoir karsherisé" (8a) ein. Motiviert von den spektakulären Zügen versuche ich mich an der benachbarten Route „la croix de toulouse" (8b). Die Kletterei ist sehr athletisch und anspruchsvoll. Durch die maximalkräftigen Belastungen verliessen uns die Kraftreserven dementsprechend schnell und uns blieben die Durchstiege verwehrt.

"la croix de toulouse"

Am zweiten Tag eilte ein Aufbrechen zum Felsen nicht. Denn die Sonne verlässt den Felsen erst zum Nachmittag hin. Auch heute wehrten sich die Routen stark. Im dritten Versuch passte dann bei Sämi alles und er konnte den steilen Überhang der Route „espoir karsherisé" (8a) bezwingen. Bei meinen Versuchen scheiterte ich jeweils sehr knapp und musste mich geschlagen geben. Nun kochte die Luft und wir wurden Zeugen eines richtigen Berggewitters. Heftig aber glücklicherweise von kurzer Dauer.

Die intensive Kletterei und die rauhen Griffe hinterliessen ihre Spuren weshalb der Ruhetag sehr gemütlich ausfiel. Auf die Bergwanderung wurde somit verzichtet. Dieser Ort wirkte sehr beruhigend. Den unzähligen gut gestimmten Waldgeistern wollte ich ein Gesicht geben. Deshalb entstand an diesem Nachmittag unser Freund „Alberto". Von diesem Moment an soll er die Regie im Tagebuch führen. Er wird unser Beschützer und Coach für harte Durchstiege werden.

Waldgeist Alberto
Mein Name ist Alberto. Seit einigen Jahren wohne ich hier in einem verlassenen Bienenhaus. Es freut mich, dass mich die beiden Schweizer vorübergehend in ihr Camp eingeladen haben. Denn selten erhalte ich Besuch von Menschen. Wie gewohnt verliess einer der beiden am dritten Tag bereits sehr früh den wärmenden Schlafsack. Dann braute
er sich einen starken Kaffee und machte in der Morgensonne Yoga. Sein Name sei Andy, habe er mir gesagt. Zwei Stunden später kroch auch sein Kollege Sämi aus dem Zelt. Heute sammelte er einige Routen im Sektor Jo Trango bevor er mit Andy zum Rocher des brumes weiterzog. Nach dem Warten auf kühlere Luft kämpfte Andy mit dem abdrängenden Ausstieg seines Projekts. Leider fiel er ganze viermal an dieser Stelle und stieg ein wenig betrübt ins Camp hinab.



 

Face Bouc

Für die beiden ist es an der Zeit ihr Camp im Vallée du Fournel abzubrechen. Bei einem Zwischenhalt in L’Argentière-la-Bessée genossen sie un petit déjeuner francais avec un café puis un croissant. Dann ging es Richtung Ailefroide. Da wir Sonntag schrieben und dieses Ziel bei Touristen wesentlich beliebter ist, hat es dementsprechend mehr Leute. Sämi und Andy suchten die Ruhe bei einem überhängenden Granitzapfen welcher erst seit neuem eingerichtet ist. Face bouc heisst dieser. Face bouc oder face booc oder sogar face-book? Über die Herkunft des Namens konnten die beiden nur rätseln. Von der Steilheit waren sie jedenfalls schwer beeindruckt. Ein einzigartiges Gebilde welches Staunen auslöste. In der kühle der Nordseite und begleitet von einer frischen Brise kletterte Sämi den genialen Riss „punishman park" (7c). Andy verzeichnete ein come back in seiner Statusmeldung. Die kräftige „en un come back douteux" (8a+) punktete er im zweiten Versuch. Von der Qualität der Routen waren die beiden fasziniert. Da face-bouc mit den Daten bekanntlich öffentlich verkehrt erhielten die beiden schon bald Besuch. Nun war es vorbei mit der Ruhe. Die Locals verkündeten permanent ihre Neuigkeiten über den ganzen Sektor und erzählten sich Kletterstorys. Sämi und Andy nutzten dazu jeweils die Stunden am Lagerfeuer. Dennoch versuchten sich die beiden an weiteren Routen. Andy versuchte sich an der boulderlastigen „la proue" (8b) und scheiterte schliesslich zweimal unglücklich in „la giroquoi" (7c+). Sämi liess sich in der „dans tes rêves" (7b+) pumpen und fiel leider erst ganz am Ende.
Die Kraftreserven schienen nun knapp zu werden. Glücklich über eine weitere Entdeckung verliessen die beiden das Tal.

Balme de Yenne



Am folgenden Tag überquerten Sämi und Andy den Col du Lautaret um nach Chambery zu gelangen. Durch den Nebel und den Nieselregen war die Fernsicht gleich null. In Yenne angekommen drückte die Sonne vermehrt durch die Wolken. Durch die tiefe Lage im Rhone-Tal wurde es somit unerträglich düppig. Nach einer kurzen Besichtigung des Felsens richteten sich die beiden am Rastplatz ein. Dort bot sich ein eindrückliches Schauspiel. Eine Schlange erwürgte gerade ein Eichhörnchen. Hartes Leben in Yenne! Hart war auch das Klettern. Die tropischen Bedingungen liessen den Schweiss richtiggehend fliessen und die vielen Nassen Griffen sorgten für etliche Ausrutscher. Somit quälten sich Sämi und Andy trainingshalber die Sinter hoch. Schade um die vielen genialen Züge und Ausdauerrouten. Ein weiteres Mal wurden sie von den miserablen Conditions dieses Ortes enttäuscht. Eine Ferienplanung für dieses Gebiet gleicht eher einem Lotto-Spiel. Nun hiess es aber schon wieder zurück in die Schweiz zu fahren wo der Sommer eingekehrt sei.