Freitag, 28. Oktober 2011

Ein Gesang für...

Februar 2011:
Viel zu abdrängend wirkte dieser glatte Kalkpanzer jeweils als ich mich daran zu versuchen beginnen würde. Einzig kleine Strukturen für das erste Fingerglied zieren die traversierende Linie zu einem markanten Loch. Weiter geht es mit kompromissloser Wandkletterei. Praktisch dieselbe Wahrnehmung blieb nach der ersten Berührung erhalten. Weder in der Realität, noch in der Vorstellung konnte ich zu diesem Zeitpunkt die Griffe halten.

Ein Empfinden welches sich mit jedem Versuch ein wenig zu verschieben begann. Zumindest gelang es mir schon mich in der Route zu bewegen. Aber von einem baldigen Gelingen konnte kaum gesprochen werden. Zu nahe an meinem maximalen Kraftlimit lagen diese Einzelzüge. Auf klare Weise wiederspiegelte diese Route meinen Formstand. Brachial und definiert. Keine Tricks und technischen Kniffe konnte ich gewinnbringend anwenden. Ähnlich wie beim Hangeln am Campusboard erfahre ich direkt woran ich bin. Es sollte meine Trainingsroute werden.



Eine Komposition im Zeichen der Schwierigkeit…

Un chant pour phil…

Zu Deutsch bedeutet der Name „ein Gesang für Phil". Diese Route wurde als Denkmal für den verstorbenen Pionier Phil Steulet eingerichtet. Er hatte seinerseits viel zur Entwicklung des Sportkletterns in der Schweiz beigetragen. Somit bildet diese Route ein Symbol der Suche nach der reinen Schwierigkeit.

Im Jahre 2004 konnte Simon Wandeler die Erstbegehung für sich verbuchen. Seither hat sich niemand mehr erfolgreich daran versucht.

Oktober 2011:
Mit dem Herbst beginnt die Saison in Soyhières. Die südseitig ausgerichteten Felsen erwärmen sich selbst bei tiefen Temperaturen derart stark, dass die fehlende Reibung einen erfolgreichen Durchstieg oftmals verhindert. Zunächst sorgten jedoch viele Wolken für optimale Bedingungen. Nun konnte ich endlich wieder in meinem Lieblingsgebiet klettern. Es gelang mir bald die einzelnen Sequenzen in „Un chant pour phil" zusammenzuhängen und die ersten Versuche drängten sich auf. Da ich durch den Ausbruch einer guten Schuppe eine andere Methode als der Erstbegeher versuchen musste, wurde die erste Schlüsselpassage deutlich härter. Den koordinativ äussert anspruchsvollen Zug nach dem grossen Loch wurde dann zur Nervensache. Selbst als Einzelzug war der Erfolg nicht hundertprozentig

Am 27. Oktober 2011 habe ich dann die „Töne" genau getroffen. Der Nebel hatte sich soeben aufgelöst und die Sonne wärmte meine noch kühlen Finger. Heute blieb ich auf der Leiste, welche nur Platz für die ersten Glieder bietet, hängen. Ohne Rastmöglichkeit musste ich die folgenden 10 Meter, welche isoliert etwa die Schwierigkeit 8a erfordern, als Zugabe absolvieren. Der Gesang endete erst am Schlussgriff. Nun genoss ich die wärmende Sonne welche ein goldenes Licht auf den Felsen warf. Sieben Jahre nach der Erstbegehung habe ich an diesem Tag die erste Wiederholung von „Un chant pour Phil" machen können.

Ein grosser Dank an den Einrichter Christian Frick!