Montag, 15. September 2014

Way to Norway Part II

Olaf's Reich… Jeder König wird neidisch!

Geladen mit Freude und einer kleinen Portion Aufregung vergehen die Stunden der Anreise im Fluge. In Trondheim angekommen geht es weiter per Mietauto. Das kleine Modell ist nun stark beladen und die restlichen Lücken werden nach dem Abstecher in den Supermarkt auch noch gefüllt.
Airport Trondheim...

Pünktlich zur Dämmerung erreichen wir dann Flatanger wo uns die Grundbesitzer Berit und Olaf freundlich empfangen. Das ausgediente Farmhaus dient nun als gemütliche Kletter-WG. Unser Zuhause für die nächsten drei Wochen. Wir. Das sind Martina, Chris, Uli und ich. Auch Christoph kommt vorbei und wohnt auf dem Campingplatz wo sich andere Kletterer eingerichtet haben. Dazu gehören Team Stuttgart mit einigen bekannten Gesichtern sowie später das Kraftduo Matthias und Stefan. Ebenfalls im Haus wohnen Cameron und Joe, das Team America.
Unser Klattrhuus... 
Campside...


Die unendliche weite und tiefe Stille ist eindrücklich an diesem Ort. Nur flüchtig ist die Gegend Flatanger besiedelt und besteht primär aus Fyorden sowie sanften Hügelketten. Schön ist die ruhige Einsamkeit. In Gedanken an den „savoir vivre“-Stil aus dem Süden Frankreichs suchen Uli und ich Bistro’s, einladende Dörfer, und nach weiteren kulturellen Abenteuern. Vergebens! Die Konsumfreude wird arg erstickt. Weiter trägt der hohe Alkoholpreis dazu bei dass jegliche Ablenkung fern bleibt. Also zurück zum professionellen Sportlerleben.

Beim Fischen treten wir in engen Kontakt mit dem Leben. Selber für die Nahrung aufzukommen hat etwas Pures. Ein nicht ganz einfacher Einstieg für Uli und mich. Mit dem Töten für den direkten egoistischen Selbstzweck können wir ethisch gesehen zwischenzeitlich umgehen. Der Menüplan ist also bald erstellt.
Den nahen Fyord erkunden wir an einem schönen Tag mit einem geliehenen alten hübschen Ruderboot. Ein Kanuverleih wäre das ideale Tourismusangebot welches leider fehlt.
Ich hab… ein schön braunes Ruderboot...

Fischermannen in Aktion...
Lachsforelle für den Teilzeit-Vegetarier...


Ach ja, das Klettern. Als ich im Februar die Reise geplant habe war ich noch nicht sicher ob ich aus meinem Leistungsplateau herauskommen werde. Nun stehe ich ein halbes Jahr später hier. Körperlich gut vorbereitet und voller Motivation. 

…immer wieder aufstehen… egal wie tief du fällst...

Die Grotte ist direkt zu Fuss erreichbar. Unser Spielplatz während der ganzen Zeit. Nun einige differenzierte Einblicke.

Wahl zum Publikumsliebling
Die meisten Besucher werden wohl nicht anreisen um sich in „move“ oder „change“ abzumühen. Zu gross ist die Ehrfurcht vom aktuellen Doppelweltmeister.
Auch ich geniesse an einzelnen Tagen ein paar zugänglichere Wege. Also gibt es eine kleine Führung für interessierte Touristen:

„berntsenbanden L3“ (8a): 40m, homogen, luftig, genial.
Im Flash klettere ich gut gecoacht von Uli. Er holt sich dann später den roten Punkt.

„the trip“ (8a+): 40m, crusen, crux am Ende, abenteuerlich.
Im 2. Versuch klettere ich das ideale warm-up für mehr. Neben Uli holt sich dann auch Chris den roten Punkt.

„nagells drommedieder“ (8a+): Einzelstelle in der Verschneidung, fengshui, genial.
Im 2. Versuch ziehe ich durch die heiklen Züge. Bei der Verlängerung muss ich dann kapitulieren. Da scheint sich der Einrichter betreff platzieren von Bolts und der Bewertung vertan zu haben.  Am letzten Tag besteht Uli das Technikseminar ebenfalls.

„frigg L2“ (8a): Frigg von frick, 40m crusen, ausgesetzt.
War zu staubig für Onsight, doch im nächsten Go klappt es für mich. Am letzten Tag scheint Uli stark und punktet mit „frigg“ gleich ein zweites Projekt.

„eventyrblanding extension“ (8a): Chris unermüdlich, just another 40m rock n’roll party.
Nach der Erstbegehung durch Chris geniesse ich am letzten Tag den Durchstieg einer weiteren lohnenden Linie.

Meine Empfehlung lautet „nagells drommedieder“. Da das Publikum meinte dass ich mich scheinbar mit grosser Leichtigkeit die Verschneidung hochgedrückt habe.

1, 2 oder 3?
Um den Instinkt zu wecken eignen sich Tagesprojekte. Für jede dieser Routen lohnt sich ein Besuch. Doch welche ist die Schönste?

Am zweiten Tag in Flatanger entscheide ich mich für die gewaltige Linie von „the doorkeeper“ (8b). Sehr anspruchsvolle Kletterei mit einem harten Schluss zeichnet diese Route aus. Die Sonne scheint stark an diesem Tag weshalb ich zwei Versuche brauche um erfolgreich den Umlenker zu klippen. Genial präsentiert sich dann die harte Einzelstelle von „waliserne kommer og kommer“ (8b). Nach kurzem reinschauen klettere ich im ersten Versuch durch die Stelle. Der obere Teil muss ich im Flash klettern da ich diesen nicht angeschaut habe. Das Bewegungsproblem „massih attack“ (8b) gelingt mit einer abgefahrenen Lösung im ersten Rotpunktversuch. Nach meiner Einschätzung ist diese Route jedoch eher einen Grad leichter zu bewerten.

1, 2 oder 3? Ich nehme alle mit heim
Andy in "waliserne…"

Andy in der Crux von "waliserne…"
Mättucam...


Nordische Blumen
Im oberen Teil der eindrücklichen Grotte zieht ein langer Weg durch das Dach. Einzigartigen Strukturen erlauben es die Steilheit zu überwinden. Eine schöne Blumenwiese! Ein vorzeitiger Ausstieg bietet die Möglichkeit die Schwierigkeit zu drosseln. Dieser Abschnitt ist das erklärte Ziel von Chris. Sein Eifer ist schier endlos weshalb er sich Tag um Tag jeden Zug perfekt erarbeitet. Am ersten Tag versuche ich mich auch an den herrlichen Zügen. Ein Längenzug beim Einstieg bereitet mir jedoch viel Mühe. Zu viele Tage bleiben um mich daran abzumühen. Zehn Tage später versuche ich dann mit einem geliehenen Kneepad mein Glück. Die Versuche des Kneepad-Spezialisten Joe inspirierten mich dazu. Nun gelingt die Stelle auf Anhieb und ich ziehe durch den ersten Teil von „nordic flower“ (8b+). Immerhin schon 40m Kletterstrecke. Wie viel dieses Accessoires brachte, ist erschreckend. Plötzlich wird mein Eifer geweckt. Es bleiben noch 50 Züge bis zum Ende der ganzen Linie. Dafür eigne ich mich auch das Flatanger-Vorgehen an. Heisst einzelne Passagen einzuüben. Es hängen viele Seile um direkt in die gewünschten Stellen hochzujümaren. Alle möglichen Techniken muss ich anwenden um den entscheidenden Boulder möglichst ökonomisch klettern zu können.

Unterdessen ist Chris erfolgreich und kann Teil 1 ebenfalls bezwingen. Eindrücklich wie er sich den Erfolg erarbeitet hat.
Chris on the run… Fokus 200%


Ein erstes Mal spürte ich ein wenig Spannung und taktisches Vorgehen bestimmt meine Klettertage. Um mich jeweils gut zu erholen kombiniere ich intensive Boulderworkouts mit leichteren Routen und vermeide viele Versuche im Projekt. Der Einstieg wird nun zum Thriller. Plötzlich gelingt mir der Längenzug nicht mehr und ich falle mehrere Male beim erst fünften Zug. Die Tatsache dass ungefähr 145 Züge danach auf mich warten erschwerte die Sache ungemein. Kenne ich diese mentalen Spielereien nicht schon zu genüge?

Fünf Klettertage später komme ich am Ende des Tages wieder über die Stelle. Warm ist es. Weit komme ich. Doch völlig schnaufend und schwitzend falle ich am entscheidenden Schulterzug in der Verlängerung. Genug für heute. Mit dem Bewusstsein dass mir nur noch ein kleiner Schritt fehlt schreite ich zurück und versuche mich so gut wie möglich zu erholen. Vier Klettertage bleiben. Das Wetter scheint zu kippen und der Mond wird voller.

Es sind Tage wie dieser...

Nach rekordartigen zehn Stunden Schlafzeit beginnt der Tag wie gewohnt bei einem starken Kaffee. Viele Wolken stehen am Himmel und der Wind hat seine Richtung gewechselt. Ein früher Start ist nicht zwingend. Doch es juckt mich. Wahrscheinlich machte ich Uli mit meinem Tatendrang bereits vor dem losgehen verrückt. Alleine stehen wir dann in der Grotte. Der Wind ist stark sowie die kalte Luft spürbar. Einzig die American-Crew wärmt sich im linken Wandteil auf.
Das kribbeln in den Fingern wird stärker. Im ersten Versuch gelingt mir der Einstieg der Route. Mit jedem Zug legt sich die Anspannung und ich finde mich am obligaten Rastpunkt wieder. An dieser Stelle ist es notwendig das Seil abzuziehen um die weitere Reise möglich zu machen. Lange weile ich nicht da ich mich frisch fühle. Über deutlich leichteres Gelände zieht die Linie nach rechts um nach insgesamt fast 100 Zügen den ersten Umlenker zu klippen. Ohne zu rasten ziehe ich weiter. Die Linie kippt nun komplett in das Dach. An dieser Stelle hänge ich nur an Seitgriffen und Ferse an einem überdimensionalen Volumen. Ein müder Rumpf ist hier besonders stark spürbar. Wie froh bin ich doch um all die Bodypower-Workouts im Gym. Doch Müdigkeit ist an diesem Tag ein Fremdwort. Aber was wäre ein spannungsloses Ende? Beim Schlüsselzug verfehle ich den Griff beim ersten dynamischen Anziehen. Diesen Fehler kann ich gerade noch auffangen bevor ich nochmals ziehe. Diesmal erfolgreich! Spätestens jetzt erreicht der Säurestand im Blut kritische Werte. Selbst die grossen Griffe scheinen nun schwieriger zu halten. Doch mit erstaunlicher Sicherheit gelingen mir auch die restlichen Passagen bis zum Ende. Mit dem Durchstieg der ganzen „nordic flower“ (8c+) fällt jegliche Spannung zusammen. Zufrieden geniesse ich die ruhige Atmosphäre sowie Gratulationen der wenigen anwesenden. Obwohl der Tag noch lange ist verbringe ich die restliche Zeit lieber mit Sichern und anfeuern. Das Wetter kippt nun von angenehm luftig zu stürmisch regnerisch.
Wie wird an einem solchen Tag gefeiert? Gedankenleser Uli bringt den idealen Vorschlag. Heute werden zwei Eimer Muscheln gesammelt. Beim verdienten Bier bereiten wir dann das Festmahl zu. Da der Eifer gross war braucht es heute mehrere hungrige Leute.
Andy in "nordic flower"...

Andy in der Crux von "nordic flower"...


Mit Tränen in den Augen
Es gibt Linien welche einem zuzwinkern. Wie das Auge von Odin. Die Züge scheinen meinem Kletterstil zu entsprechen weshalb ich mich schnell geschickt bewegen kann. Sich auf Augenhöhe mit der Aufgabe zu bewegen motiviert mich für einige Versuche. Bereits früh klettere ich ohne Pause bis zu den Wimpern und nach einem Hänger von dort bis zur Schädeldecke. Doch es bleibt dieser eine Zug in „odins eye“ welcher nicht gelingen möchte. Schliesslich gebe ich auf. Mit einer kleinen Träne im Auge.
Bearcammedia - Andy on "the eye of odin"

Cameron aka "Bearcam"
Schau mir in die Augen "grosses"...



Das eingeflogene Material muss gebraucht werden. Deshalb hänge ich fast alle meine Expressen in die monströse Traverse von „dharma“. Schon das Versuchen ist ein Erlebnis wert. Machbar scheint die Reise zu sein. Vielleicht ein Ansporn zur Wiederkehr an diesen Ort?

Alles endet irgendwann, Flatanger ist...

…der wohl beste kletterbare Granit auf Erden.

…verloren, einsam, wunderschön und weit Weg von gesellschaftlichen Zwängen.





...Erholung, Ruhe oder ein Weg zur Selbstfindung.
Wirklich ruhige Ruhetage garantiert...

Entspannung vor dem Doppeldurchstieg...
Selbstfindung...


...Fisch, Fisch, no beer, no party und nochmals Fisch. Kulturell-kulinarisch eintönig, aber höchst funktional.

Pollack (Seelachs) mal nicht von Findus...

Dinner: another highfat-fishprotein-loading
The end...