Immer wieder stehe ich in Gedanken unter dem riesigen
Überhang von La Baleine. Die nur kurze Satzpause reicht aus um in diese
Tagträumereien abzuschweifen. Zurück auf der Matte der Trainingswand setze ich zu einem erneuten Versuch in einem
Systemboulder an. Motiviert von der Vorstellung bald an einem anderen Ort zu
sein. Über mehrere Wochen bereitete ich mich intensiv auf den geplanten Urlaub
vor. Der Fokus stand auf athletischer Kletterei wie sie in St. Léger üblich
ist. Viele positive Eindrücke des letzten Jahres beflügelten mich mein Plan
konsequent umzusetzen. Zurück in der Realität wurde mir jedoch zunehmend
bewusst dass diese Ziele wortwörtlich im Wasser unterzugehen drohen. Den ganzen
Winter über war das Wetter in Südfrankreich ähnlich miserabel wie hierzulande.
Klar, dass die versinterten Wände
ordentlich tropfen werden.
Leider hält sich das Wetter nicht an Trainingspläne. Eine
knallharte Tatsache!
Die schlechte Wetterlage hielt an und zeigte sich
flächendeckend auf der ganzen Landkarte. Meine klaren Zielformulierungen
mussten plötzlich komplett neu definiert werden. Die Schwierigkeit lag nun
darin überhaupt trockene Felsen zu finden.
Es begann eine Zeitreise…
...Zurück zu den Anfängen des
modernen Sportkletterns.
Bienvenue à Buoux!
Meine Leidenschaft für den Klettersport entfachte sich in
der Provence. Die einst massenweise besuchten Gebiete scheinen jedoch an
Beachtung verloren zu haben. Auch an mir geht die Mode nicht spurlos vorüber
weshalb ich seither nie bewusst zurückgekehrt bin.
Zurück zu den Wurzeln. Zudem versprach der verwitterte
Sandstein mehr Hoffnung auf trockene Stellen als poröser Kalk. Deshalb stehen
Tom und ich nun gegenüber den mächtigen Felsformationen von Buoux. Wie einst
zwei bleiche Engländer Jahre zuvor.
Bericht der Klettertage:
Tag1:
Die Route „scaravangeur“ (7a) bot geniale
Lochkletterei und war die ideale Wahl zur Angewöhnung. In der nebenan gelegenen
„le hasard fait bien les choses“ (7b) brannten dann die Füsse schon richtig und
die unübersichtliche Kletterei warf mich ab. Die Griffe und
Bewegungsanforderungen entsprachen dem puren Gegenteil meiner physischen
Vorbereitung. Zudem war es für mich erst der erste Tag in diesem Jahr mit Seil was
mir nicht wesentlich weiter half. Danach flüchteten wir in den Sektor Bout du
Monde. Quasi ans Ende der Welt. Meine Entscheidung fiel auf die Route „chouca“
(8a+). Nach dem Ausbouldern mühte ich mich in den weiteren Versuchen mit einem
sehr weiten Zug an Löchern ab. Daneben versuchte sich Tom an „fissure serge“
(8a). Deren Absicherung gehört jedoch eher in die Kategorie gefährlich weshalb
er die Route bald wieder ausräumte.
Tag 2:
Wie aus Kübeln schüttete es heute den ganzen Tag
lang. Da half nicht mal die stündige Autofahrt nach Volx um dem Regen zu
entfliehen. Die feuchtkalten Bedingungen erinnerten uns an hoffnungslose
Trainingstage am Muggenberg. Kaum vorstellbar wie einst ausländische Kletterer
anreisten um sich an dem kurzen Überhang abzumühen. Diverse Erkundungsversuche
brachten zur Erkenntnis dass es keinen nicht auf übelste Weise abgegriffenen
Flecken Fels in dieser Grotte zu haben schien. Es blieb eine Flash-Begehung von
„0% de matiere grise“ (7c+) von mir und der Durchstieg von „spinonza“ (7c) von
Tom.
Cappuccino-gourmande pour le petit déjeuner! |
Tag 3:
Der starke Regen der Nacht hielt noch lange an und
wurde gegen Mittag vom auffrischenden Wind verdrängt. Dieser trocknete dann
langsam die Wände ab welche ziemlich nass geworden sind. Kräftig schien die
Sonne und strapazierte die Haut schon beim Aufwärmen. Tom versuchte sich an der
lohnenden und technisch anspruchsvollen Route „hiérogriffe“ (7b+). Leider blieb
ihm der Durchstieg bis zum Schluss verwehrt. Im ersten Versuch von Heute
prügelte ich dann durch den Klassiker „chouca“ (8a+). Dafür musste ich meine Arme richtig
ausfahren. Danach boulderte ich durch „la rose et le vampir“ (8b) sowie „tabou“ (8a+). Die anfängliche Euphorie
endete rasch. Lieblos gebohrte Löcher und speckige Griffe hielten mich von
weiteren Versuchen ab.
An diesem Osterwochenende waren entsprechend mehr Leute
anwesend. Dabei traf ich auf Seb H., welcher aus Spanien zurückgekehrt war. Von
seinem Wissen profitierte ich bereits letzten Sommer. Scheinbar haben wir nicht
die schlechteste Wahl getroffen wenn er hier zu finden ist. Sprich uns wohl an
einem der wenigen trockenen Felsen befinden. Natürlich gab mir Seb ohne zu
Zögern noch einen Geheimtipp. Die Beschreibung hörte sich interessant an. Nur
zehn Minuten entfernt soll sich das Gebiet befinden. Mit viel Plaudern endete
also der Tag im Sektor Bout du Monde. Toni aus dem Kochel empfahl mir
ausführlich die eine und andere Route in Buoux. Selbst der Riese Tom verschwand
im Schatten des ruhigen Hünen. Auf die Frage nach seiner Meinung über den
erhaltenen Geheimtipp meinte er nur trocken und unbeeindruckt: „Schau’s dir mal
an“. Riesige Überhänge seien halt nicht so sein Ding.
Tag 4:
Von Beginn Weg sorgte der starke Mistral für einen
wolkenlosen Tag. Gespannt suchten wir dann das empfohlene Gebiet welches nahe
eines Dorfes liegt das mit L beginnt. Die riesige Wand kann kaum verfehlt
werden. Von der Kletterei waren Tom und ich begeistert. Anspruchsvolle
Bewegungen sind an der vielfältig strukturierten Wand nötig um möglichst
sparsam vorwärts zu kommen. Die meisten Routen enden an einer durchgehenden
Rissspur, führen dann in einer weiteren Länge unter das riesige Dach und können
sogar durch dieses verlängert werden. Soweit der Atem reicht. Im zweiten Go
kletterte Tom „the trooper“ (7c) und freute sich über die Sinterpassage. Diese
verlängerte ich noch weiter über sehr interessante Kletterei. Im zweiten
Versuch kämpfte ich mich auf dem letzten Drücker „le zimbrec coude“ (8a+) hoch.
Resultat war eine riesige Ansammlung Laktat in den Unterarmen.
In der Zwischenzeit füllte sich das Gebiet mit einer
riesigen Truppe an Franzosen. Das Gerome P. die Bohrmaschine in Betrieb nahm,
zeigte dass der Vogelschutz hier nicht so hoch geschrieben wird. Nach einer
Pause stieg ich in eine weitere Route. Fluchend beendete ich dann den Versuch
kurz vor Ende da ich in einem Untergriff-Einfingerloch abzurutschen drohte.
Erst später sah ich dass die Route „le mono qui nique“ heisst. Ja wer nicht
liest ist selber schuld.
Tag 5:
Ganz alleine kletterten wir heute in L. Nun versuchte
ich mich in der steilen und athletischen Route „le coeur de ritzou“ (8a+/b).
Die kräftige Sequenz am Ende warf mich jedoch mehrmals ab. Mittlerweile zeigten
sich dann schon viele Gebrauchsspuren an unseren Werkzeugen den Händen. Waren
es in Buoux die Fingerkuppen welche gelitten haben, so schmerzten nun die
ganzen Partien. Viele kleine Risse mit passiven Klemmpositionen drückten
ordentlich auf die Haut. Mit getappten Fingern kletterte Tom dann die erste
Länge von „play boy“ (7c). Für heute war das genug und wir freuten uns einmal
mehr auf das verdiente Nachtessen in unserem Camp.
Die ersten Sonnenstrahlen nutzte ich für eine
halbstündige Yoga-Session bevor es wieder an den Fels ging. An der Auwärmroute
„je t’aime moi non plus“ (7a+) fanden wir beide gefallen. Danach ging es um die
Wurst. Zweimal scheiterte ich bei meinen Versuchen an der Route „ le coeur de
ritzou“ (8a+/b). Derweilen versuchte sich Tom an „oh putain merde“ (7c). Nun
schien die Sonne in die Wand und heizte so richtig ein. Es war jetzt unmöglich
bei diesen Bedingungen zu klettern. Deshalb fuhren wir kurz ins nahe gelegene
Dorf um in einer Bar ein citron présse zu trinken und auszuspannen. Um sechs
Uhr stehen wir dann wieder unter der Wand. Langsam verschwand die Sonne hinter
der Hügelkette und die Luft wurde kühl. Bei idealen Bedingungen setzte ich zu
einem Versuch an. Trotz einem perfekten Go wollte es immer noch nicht klappen.
Der folgende glich war dann eher eine Verzweiflungsaktion. Obwohl nochmals
dieselbe Höhe erreicht wurde. Bis zum Ende fehlte einfach der Killerinstinkt.
village typique... |
Der Start in die Fels-Saison begann also mit einem Tritt in
den Allerwertesten. mir wurde erst am Ende bewusst, dass der direkte Wechsel
von Plastik an den Felsen doch seine Zeit brauchen wird. Eine erste Nervenprobe
sei überstanden.
Alors a bientot! Wir kommen mit starken Fingern und lockeren
Hüften wieder!
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