Montag, 5. Dezember 2011

Rammstein

Der Weg zu einem neuen Bewusstsein...

Diese Route hat sich in meinem Kopf festgekrallt. Sie war fortan das Symbol für mein persönliches Limit. Die einzelnen Passagen kriegte ich knapp als Einzelzüge zusammen. Die Vorstellungen eines ernsthaften Versuchs lagen meilenweit entfernt. Deshalb bin ich zu Beginn des Jahres auf ein anderes Projekt ausgewichen. Mir fehlte schlichtweg die Bereitschaft.

Vielleicht verstärkten diese Gefühle zusätzlich auch den Mythos um diese Route. Erstbegangen hatte sie Reto Aschwanden im Jahre 2003, nachdem er sich bei einem Versuch die Schulter zerschmetterte hatte. Nur Simon Wandeler konnte diese wiederholen und bestätigte die sehr harte Bewertung.

Den ersten Teil, bei welchem die ganze Schlüsselstelle der Route „Mines de rien" geklettert werden muss, ist erst der Zustieg zu einer schmerzhaften Rastposition. Da die „Mines de rien" als sehr hart für den Grad gilt, wirkt der Begriff Zustieg stark ironisch. Nun muss es sich aber leider so anfühlen um überhaupt eine reelle Chance zu haben. Denn die stark überhängende Abschlusswand bietet noch wesentlich schwerere Züge welche mit einem Abschlussdynamo enden.

Der Erfolg in den Gastlosen im September gab mir Schwung. Es wurde mir klar, dass ich mich stark gesteigert habe. Die schönen Erlebnisse aus den Klettertrips während des ersten Semesters des Jahres bestätigten diese Erkenntnis. Dazu kam die Tatsache, dass ich in praktisch allen Gebieten schon gekletterte Routen trainingshalber am Ende des Tages klettern konnte. Es hat sich etwas getan.

Scheinbar ohne Erwartungen stieg ich Ende Oktober in die Route „Rammstein" ein. Eigentlich wollte ich gar keine Versuche machen. Doch ich erreichte dreimal die Rastposition und versuchte mit viel Elan den zweiten Teil. An diesem Tag änderte sich mein erstelltes Bild über diese Route. Nun schien sie machbar.

Das Jahr neigte sich bald dem Ende zu und plötzlich bot sich mir diese Möglichkeit. „Auf geht’s", sagte ich mir. Bedingungslos rannte ich an. Die Wetterlagen wechselten dauernd. Auf die ersten nebligen Tage folgte die brennende Sonne. Unmöglich konnte ich dadurch die kleinen Griffe und Aufleger halten. Wie bei einem Spielautomaten wusste ich nie, wie die Bedingungen sein werden. Ein gefährliches Spiel. Sind so durch die schwierigen Umstände erste Zweifel hervorgetreten. Die Bereitschaft drohte zu versickern.

Diese Woche sollte der Wetterumschwung kommen. Ist es bald vorbei? Innerlich hatte ich das Projekt beinahe aufgegeben. Ich sah keinen Sinn mehr.

Weil ich den Klettertag schon geplant habe, stehe ich dennoch in Soyhières. Aber an diesem Tag war vieles anders. Dank der regnerischen Nacht wirkte die Luft frischer und dazu wehten orkanartige Sturmböen. Mein Körper wachte auf einmal auf. Plötzlich wollte ich wieder angreifen. Ein letztes Mal. Heute befand ich mich in diesem Bewusstsein, was wir mit „im Tun aufgehen" bezeichnen. Keine störenden Gedanken konnten mich diesmal aus dem „Flow-Erleben" reissen.

Im dritten Versuch des Tages setzte ich zum Abschlussdynamo an. Ich blieb hängen und griff zum Henkel. Für einen Moment blieb ich regungslos in dieser Position. Dann „wachte" ich auf.

Es ist vorbei!

Nun wurde mir Bewusst, dass ich ein wichtiger Schritt gemacht habe…


Am 3. Dezember 2011 konnte ich „Rammstein" bezwingen. Es ist erst die dritte Begehung dieser Route. Den Ruf einer harten Bewertung kann ich bestätigen und würde persönlich den Grad 8c/+ vorschlagen. Für mich ist diese in jedem Fall mit Abstand meine bislang schwerste gekletterte Route.  

An dieser Stelle danke ich allen, die mich bei diesem Projekt unterstützt haben. Merci!


"Andy beim Abschlussdynamo"




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