Dienstag, 3. April 2012

Ravage – Verwüstung

Der April steht vor der Türe und möchte seinem Ruf gerecht werden. Als dauerte das stabile Wetter bis anhin viel zu lange, wechselte die Wetterlage heute von Stunde zu Stunde. Dieses Schausspiel wollte ich nicht verpassen, weshalb ich den freien Nachmittag im Jura verbrachte. Zum ersten Mal in diesem Jahr besuchte ich das Chuenisbärgli... mit jedem Schritt steigen Erinnerungen auf... es ist an der Zeit abzurechnen.
Der treue Weggefährte für diesen Kalkriegel war Tom. Fast fünf Monate zuvor verliessen wir diesen Wald mit geschundenen Fingern und unvollendeten Taten. Damals scheiterte ich an meinen Gedanken...
Doch eisernes Training und die nahende Peak-Phase standen heute über jeglicher mentaler Hürde und Bewegungsökonomie. Die Begehung glich dann eher eine Kraftdemonstration.

Mit "ravage" habe ich ein Etappenziel dieses Jahres erreicht und mir ein vorgezogenes Geburigschänkli gemacht.

Doch eigentlich beginnt die Geschichte viel früher. Dazu ein Auszug aus dem
Tagebuch des letzten Jahres...

Eigentlich ist der Ausgang dieser Geschichte absehbar. So schlecht die Voraussetzungen sind, so hoch ist der Reiz es doch zu probieren. Doch beginnen wir ganz am Anfang.

Im Jahre 1986 erstbegangen durch den Franzosen Antoine le Menestrel, gilt die Route „ravage“ als Megaklassiker. Letztes Jahr versuchte ich mich an dieser mythischen Route. Weil die Saison aber praktisch vorbei war, blieb es bei diesem kurzen reinschauen. Zu gerne würde ich sie ernsthaft probieren. Doch es gibt etliche Hürden. Erstens gestaltet es sich sehr schwierig motivierte Kletterpartner für dieses Gebiet zu finden. Zweitens ist dieser Felsen sehr bedingungsabhängig und drittens ist der Zugang mit öffentlichen Verkehrsmitteln praktisch unmöglich. Zufällig besuchte ich im September den Chuenisberg. Hatte ich dieses Ziel schon fast vergessen.

Es packte mich sofort wieder…

Doch weiss ich nicht zu gut wie es enden wird? Aus dieser Zwickmühle kann ich mich nur mit dem Durchstieg befreien.

Versuchung…
Kompromisslos…
Wann komme ich nur zur Ruhe?


Chuenisberg bei frostigen 10 Grad. Der perfekte Grip erfordert den Einsatz kalter Finger.Ohne jegliches Gefühl falle ich am letzten Zug. Am gleichen Abend schaute ich mir den Wetterbericht an. Vor der drohenden Kaltfront soll es nochmals warm werden.

Eine letzte Möglichkeit? Zu nahe bin ich am Durchstieg. Die Uni schwänzen?
Oder doch nicht?

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. Deshalb stand ich nun drei Tage später wieder an diesem Ort. Der Druck war zu hoch. Mein Erregungszustand viel zu hoch. Erst mit steigender Anzahl an Versuchen senkte sich dieser langsam. Die Gleichgültigkeit zeigte sich. Der Puls senkte sich. Im sechsten Versuch erreichte ich dann endlich den guten Griff in der Mitte der Route. Total ermüdet. Ohne zögern ging es weiter. Die Strapazen der vorherigen Versuche zeigten sich am letzten Zug. Dort endete der Kampf. Gescheitert. Mit jeder Minute begreife ich, dass dies der letzte Versuch gewesen war.

Lohnt es sich noch weiterzukämpfen?
Aufgegeben habe ich noch nie. Das weiss ich. Wenn dir die Zeit davon läuft, musst du
springen!

Nun wurde mir die erste Hürde zum Verhängnis und ich konnte nicht mehr zurückkehren.


„Lichtspiele“, ein mystischer Augenblick. Der Wald um den Chuenisberg bei Nebel.





 

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