Donnerstag, 30. April 2015

Warmer Frühling in St. Léger

Schattenspiel, A.O.C und Mont Ventoux
Der April startet mit zwei Wochen Schulferien. Als Sekundarlehrer komme ich also nicht um den Osterrummel herum weshalb ich wie viele andere in den Süden reise. Zusammen mit Steffu. Wir entscheiden uns für St. Léger. Einmal mehr spricht vieles für die liebliche Schlucht im Norden des Mont Ventoux.

Die Wochen davor genoss Steffu gute Bedingungen beim Tourenskifahren und ich trainierte meine Fusstechnik und Fingerkraft im plattigen St. Loup. Wegen der fehlenden spezifischen Vorbereitung wird der Ausflug zusätzlich zum Trainingscamp.

Im Camping treffen wir auf Marianne und Jasmin welche die ersten Tage unser Lager ergänzen. Die Nomadin Jasmin scheint frei von Pflichten und schliesst sich nochmals für eine Woche an. Nichtahnend dass unter Coach Andy die Klettertage sehr anstrengend sind.

Morgenfooting à la Jugend & Sport
Die ersten Nächte sind kühl. Deshalb freuen wir uns am Abend auf die Einladung zum warmen Kaffee bei Tinu’s.

Guete Morge Marianne!

Keine Zeit für morgenmuffeln - immerlachender Steffu!

Bei starkem Wind klettern wir zu Beginn an der Face Sud, ein Sektor den wir noch kaum kennen. Wir geniessen schöne Routen zum Einwärmen im Sektor „les coffres en bambou“. Dann suchen wir eine längere Beschäftigung in der eindrücklichen Hauptwand der Face Sud. Der Weinkenner schaut auf kontrollierte Herkunft der Produkte und der betreffenden Bezeichnung. Auch ich kenne den Genuss und entscheide mich für „A.O.C la baleine“. Die Route soll mit der maximalkräftigen Belastung eine gute Vorbereitung für mehr werden. Mit einem spektakulären Seitwärtssprung überwinde ich die Schlüsselstelle und kann nun bald mit ersten Versuchen beginnen. Ein wenig rechts davon versucht sich Steffu an der Route „quelques instants au bord du monde“. Die guten Bedingungen an den ersten Tagen sind verlockend. Doch rasch wird es wärmer, sonniger und der Wind lässt nach. Deshalb stehen wir früh auf um am Morgen den Schatten welcher nur durch die Steilheit der Wand gegeben ist zu nutzen. Steffu gelingt es die kräftige Einstiegspassage von „quelques instants au bord du monde“ (8a) zu überwinden und holt sich den roten Punkt. Bravo! 
Daneben falle ich bereits knapp am entscheidenden Zug. Wegen der Hitze sehe ich aber von weiteren Versuchen ab und hole mir eine rote Nase beim Sonnenbaden. Vom letzten Jahr weiss ich dass der Schatten gegen Abend in der Face Est angenehm sein kann. Also besuchen wir den eindrücklichen Pfeiler. Der schönste Weg um den ganzen Pfeiler zu begehen ist klar und die Beschreibung im Topo vielversprechend: „voie phare, grosse conti, sortie très engagée“. Das sehr im Kommentar führt auch bei mir zu erhöhter Adrenalinausschüttung. Eine geniale Linie weshalb ich gleich nochmals einsteige.
An diesem Tag treffen wir auf die Saumaden-Polizei (siehe saumade.com). Damit auch jenseits des Juras alles seine Ordnung hat. Sämi „déja a la forme“ und Domi the „geyikbayiri-man“.

Das Pockern an der Südwand geht weiter. Heisst für zwei Versuche die noch einigermassen kühle Wand ausnutzen und dann erneut in den Schatten flüchten. Beim Ausbouldern von „légitime démence“ erfreut sich Steffu an den kräftigen Zügen. Am vierten Tag fühlen sich die Arme dann schon ein wenig müde an weshalb wir im Face Est heute ausklettern. Dabei geniesse ich die schöne „FFMeuh“ (7c+) a vue. „Ist geil, oder?“ , wie unser Nachbar auf dem Camping dazu sagt.

Yasmin zieht durch "un monde a refaire" (7a+) - gecoacht von Andy
Die Tage werden nun immer wärmer und der Wind ist kaum noch spürbar. Trotz der vorhandenen Kraft rutsche ich von den glatten Griffen. Die Hitze scheint die starken Mädels nicht zu stören. Schön, dass einige Girls aus dem SwissClimbingTeam mal die frische Luft am Felsen geniessen.

Bärner Meitschi mit Saft! Lynn in den kräftigen Zügen von  "abrège nief"...

An den Ruhetagen wandern Steffu und ich ein wenig durch die Gegend um die neusten Sektoren ausfindig zu machen. Bald kennen wir auch die „geheimsten“ Spots und erhalten Tipps von lokalen Kletterern.

Wegen den sommerlichen Bedingungen zieht es uns für die restliche Zeit in die Grotte vom Sektor „la Baleine“. Immerhin angenehm zum verweilen. Doch selbst hier liegt die Temperatur im Schatten bei 20 Grad. Unter der riesigen Kuppel steht die Luft. Willkommen im Thermalbad! Erinnerungen werden wach. Vor ziemlich genau drei Jahren verlor ich den Kampf gegen das Ungeheuer. Wegen Regen und Sturm rutschte ich damals immer wieder von den feuchten Zangengriffen. Jetzt scheint das Vieh zu schlafen, gelähmt von der drückenden Wärme. Soll ich es herausfordern? Erneut den Kampf wagen?
Bei einem ersten Versuch in „Léviathan, les griffes de l’amer“ präge ich mir den ganzen Weg ein. An mehreren Stellen könnte das Ungeheuer auftauchen.
Alle Abschnitte gelingen leicht. Drei Jahre Training machen den Unterschied. Doch wie steht es um die Ausdauer? Erste Durchstiegsversuche sind vielversprechend. Fast überwinde ich die Kuppel um zum rettenden Rastplatz zu gelangen. Die einzelnen Stellen sind jedoch heikler als erwartet weshalb ich mehrere Male falle. Direkt unter der Dachkante wird die Luft düppig. Dadurch schwindet die Konzentration mit jedem Zug und die Spannung verlässt mich. Das Ungeheuer schläft, aber lauert permanent mit drückender Hitze.
Direkt daneben versucht sich Steffu an der spektakulären Route „un monde sans gaucho est sans issue“ (8a). Nur zwei Tage braucht er um erfolgreich den Umlenker zu klippen. Davor zog er bereits souverän durch „j’ai toujours préféré les voisins aux voisines“ (7c+) und beweisst somit dass seine Ausdauer vorhanden ist. Mehr Beschäftigung findet er danach in der Route „l’aigrefin“ (8a). Zum Durchstieg reicht es nun leider nicht mehr.

Steffu zieht "un monde sans…" (8a)...

Andy kämpft gegen den Léviathan. Kniekontakt erlaubt!

Für mich bleiben schliesslich nur wenige Tage und drei Projekte mit höchst unterschiedlichen Anforderungen:

Ein maximalkräftiger Sprint am Limit mit einem heiklen Seitwärtssprung.

Ein körperkräftiger 40m Marathon mit lauernden Gefahren.

Ein Monument. 35m klassische Ausdauer mit Charakter.

Dass ich alle Routen gleichzeitig versuche erhöht die Schwierigkeit, hält aber die Spannung hoch. So reicht es dann nur noch für ein bis zwei Versuche an der Face Sud. Danach sammelte ich mit erfolglosen Versuchen in der Baleine ordentlich Klettermeter. Vorerst reicht es nicht mehr für die Face Est.

Die Temperaturen steigen weiter an und feuchte Luft zieht bald heran. Es kommt wie es kommen muss. Für die schwierigen Bedingungen ist meine Aufgabe zu hoch und ich scheitere am umfangreichen Programm. Der Einsatz waren drei Sektoren, einmal 8c, einmal 8b+/c, einmal 8b+. Es folgte das Spiel mit dem Wetter und den Erwartungen. Schliesslich gab es keine roten Punkte doch eine gute Trainingsbelastung. Und einige Gründe zurückzukehren!

Yasmin nach dem Trainingscamp mit Coach Andy

Zwei Wochen mit viel Sonnenschein, vielen bekannten Gesichtern, gemütlicher Campingstimmung und gutem Trainingsumfang sind definitiv ein gelungener Start in das Kletterjahr!

Gute Laune!