Freitag, 17. Februar 2012

Schöner leben in Cresciano

Spontan entschieden sich Tom und ich für einen kurzen Ausflug ins Tessin um der arktischen Kälte zu entfliehen. Nach der erfolgreichen Qualifikation bei der Ausscheidung für die Militärmeisterschaft im Klettern befindet sich Tom in einem ersten Peak und war dementsprechend motiviert. Meine durchplante Trainingsphase konnte auch ein wenig Abwechslung gebrauchen und deshalb war ich trotz mangelnder Ruhetage froh über diese Idee. Auf dem Programm standen die Routen in Cresciano. Der Zustieg ohne Crash-Pad war für uns beide eine Premiere.
                                                                                     
Tag 1:
Am ersten Tag sahen wir einen komplett verlassenen Wald. Ein leerer Parkplatz, keine leuchtenden Prana-Shorts, keine tiefgezogene Beanies, keine pubertierenden und herumschreienden Gummiwandathleten, keine Filmteams… Fehlt da nicht was? Nein. Denn so gefällt es uns. Eine angenehme Ruhe lag im Wald und wurde nur vom auffrischenden Wind durchbrochen. Schön!

Schön... Beautiful... Dies war der Name unseres Ziels. Die Aussage hielt das Versprechen. Etwa 25 Meter perfekte Wandkletterei bietet diese Route. Mein Körper musste sich nach dem Hallengehampel erstmals ein wenig umstellen um die Bewegungen zu fühlen. Auch Tom fand Gefallen an dieser herrlichen und langen Route. Heute reichte die Zeit für ein ordentliches work-out. Am Abend im Hotel „1001 Bloc" machte sich dann die Müdigkeit bemerkbar. Ebenso hier waren wir die einzigen Gäste. Die Kraftspeicher füllten wir beim gemütlichen Abendessen.



Tag 2:
Der Himmel blieb den ganzen Tag dunstig. Doch die wärmere Luft sorgte für guten Grip. Beim Aufwärmen konnte Tom die technisch anspruchsvolle „tendina balosa" (7b+) klettern. Die Bewegungen sahen nun deutlich geschmeidiger aus und die Züge gingen besser. Trotz einem ausgiebigen work-out konnte er dann „beautiful" beim folgenden Versuch schon fast mit einem Hänger klettern. Meine Finger hatten leider ein wenig Mühe warm zu werden, weshalb ich ohne viel Gespür klettern musste. Im zweiten Versuch des Tages ging es dann besser, und ich konnte mit „beautiful" (8b) meine erste Route in diesem Jahr klettern. Ein schöner Saisonbeginn!

Tag 3:
Da wir beide am Abend Termine hatten, gab es eine Frühübung. Ein näher gelegener Sektor schien uns dafür geeignet. Die Aufwärmroute „paso" (7a) mit der komplexen Verschneidung forderte die noch steifen Glieder ordentlich. Dann versuchte ich mich an der „ma insomma" (8a). Mit einer erhöhten Stresshormonausschüttung flog ich aus der abdrängenden Verschneidung. Eine ungewohnte aber sehr interessante Kletterei bot sich mir. Auf die Verschneidung, welche die Crux bildet, folgten ein horizontales Rissdach und schliesslich ein Mantle um den Stand zu erreichen. Ein richtiges Liebhaberstück! Da die Linie so speziell war, verklemmte sich das Seil blöderweise beim Abziehen in einem Riss. Selbst die Mannesstärke von Tom konnte das Seil nicht einen Zentimeter bewegen. Deshalb jümarte ich die ganze Länge mit einem improvisierten System hoch und befreite das Seil. Die ganze Aktion brauchte Kraft und so blieb kaum Zeit für einen weiteren Versuch. Schliesslich kletterten wir beide noch die Route „w la figa" (7b+), Tom im onsight und ich im flash. Dann mussten wir schon wieder in den Norden aufbrechen wo die Holzleisten und farbigen Griffe warten… Doch wir kommen wieder!



Ein erster gelungener „Team-Trip" und die Saisoneröffnung wären vollbracht.